Nicole Althaus
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Uma Thurmann – FACTS 22. April 2004
FACTS 17/2004
Text: Nicole Althaus
Fotos: Patrick Swirc
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«Ich hatte Angst vor meiner Kraft»

Sie ist die Braut, die tötet. Sie ist die Mutter, die es aufgegeben hat, perfekt zu sein. Uma Thurman, Hollywoods coolster Star, über ihren Part in Quentin Tarantinos Rache-Epos «Kill Bill», die Trennung von Gatte Ethan Hawke - und wie sie sich aus Rollenmustern prügelt.

Facts: Frau Thurman, haben Sie privat auch schon zugeschlagen?

uma thurman: Nein, nicht wirklich. Ich bin zwar mit drei Brüdern aufgewachsen und habe gelernt, mich zu wehren. Grundsätzlich aber bin ich ein friedliebender Mensch.

Facts: Und was machen Sie mit negativen Gefühlen? Mit Wut? Mit Zorn?

Thurman: Ich schlucke sie hinunter.

Facts: Ist das auf die Dauer nicht ziemlich ungesund?

Thurman: Nicht, wenn man gelernt hat, mit seinen Gefühlen sinnvoll umzugehen. Ich zerlege negative Emotionen und die Erfahrung, die sie hervorgebracht haben, in ihre Bestandteile. Dann gebe ich mir Mühe, sie irgendwie in mein Leben zu integrieren.

Facts: So muss die Rolle der explosiven Killerbraut im «Kill Bill»-Epos, dessen zweiter Teil jetzt in die Kinos kommt, eine besondere Herausforderung gewesen sein.

Thurman: Das war sie tatsächlich. Nicht nur emotional, sondern auch körperlich. Allein das Training brachte mich an meine Grenzen. Ich habe nie zuvor Kampfsport betrieben und bin anfänglich geradezu ausgeflippt, wenn ich auf dem Set einen Stuntman mit dem Schwert berühren musste. Ich hatte Angst davor, jemanden zu verletzen. Letztlich hatte ich Angst vor meiner eigenen Körperkraft und Energie. Diese nämlich hat mich überrascht.

Facts: Positiv oder negativ?

Thurman: Positiv. Es tut gut, sich als Frau einmal nicht zerbrechlich und verletzlich zu fühlen, sondern die eigene körperliche Stärke zu entdecken. Das ist eine Erfahrung, die sich im Leben nicht automatisch einstellt.

Facts: Mussten Sie auf dem Set auch einstecken?

Thurman: O ja. Der Dreh war schmerzvoll. Auch wenn alles vorsichtig geplant wird und bei gefährlichen Szenen Stuntleute einspringen - auf den harten Boden werfen muss man sich selber. Und abends verarztet man dann die Schrammen und entdeckt an den unmöglichsten Stellen grosse blau unterlaufene Flecken.

Facts: Die Filme «Kill Bill Vol. 1» und «Vol. 2» sind eine Reflexion über die Rache. Ist die Trennung von Ihrem Gatten Ethan Hawke eine persönliche Variante davon?

Thurman: Ich wurde verletzt. Ich hatte ein gebrochenes Herz. Man hat mir wehgetan. Doch Rache liegt mir fern.

Facts: Sie haben die Figur der blutrünstigen Braut zusammen mit Regisseur Quentin Tarantino erfunden. Irgendetwas muss Sie also an der Idee einer rächenden Frau fasziniert haben.

Thurman: Das Blut war mehr nach Tarantinos Geschmack. Aber ja. Die Idee, eine Frau zu spielen, die einstecken, aber auch richtig austeilen kann, hat mich fasziniert. Filme, in denen Frauen gerettet werden, gibt es wie Sand am Meer. Da ist es interessanter, einen Charakter darzustellen, der seine Schwächen überwindet und für sich selber gradsteht. Menschen, die vom Schicksal gebeutelt werden und trotzdem wieder aufstehen, haben seit jeher eine grosse Anziehungskraft auf mich. Und meine eigene Unabhängigkeit war mir immer sehr wichtig. Schon als Kind habe ich auf mich selber aufpassen können.

Facts: Welches war damals Ihr Rollenmodell?

Thurman: Meine Lieblingsheldin war Pippi Langstrumpf.

Facts: Noch eine Figur, die oft und gerne zuschlägt.

Thurman: Das Faszinierende an weiblichen Action-Heldinnen ist vielleicht gerade, dass sie ein Rollenmodell sprengen. Die Mauern ihres Gefängnisses niederreissen und sich wortwörtlich freiprügeln.

Facts: Nun kann man den Film auch ganz zivil als Geburt einer Mutter lesen ...

Thurman: Genau. Ein einziger Augenblick verändert das Schicksal der Hauptfigur. Im Moment, in dem die Braut erfährt, dass sie schwanger ist, erhält sie ihre Seele zurück. Sie verwandelt sich von der furchtlosen Killerin, die Leben nimmt, in eine Frau, die Leben schenkt und deshalb verwundbar ist. Diese Schlüsselszene im zweiten Teil von «Kill Bill» erklärt im Nachhinein, weshalb die Braut im ersten Teil des Epos alle, die ihr in die Quere kommen, emotionslos niedermetzelt. Weil sie nämlich Rache übt an ihrem totgeglaubten Kind.

Facts: Ist Mutterschaft ein so tief greifender Einschnitt im Leben einer Frau?

Thurman: Ein Kind zu bekommen, öffnet das Herz. Man glaubt, dass man die Parameter des eigenen Herzens kennt, bis man Mutter wird und feststellt, dass da ein Gefühl ist, das alle bisherigen Gefühle sprengt. Elternschaft verwandelt einen in ein gemeinschaftliches Wesen. Mich jedenfalls haben die Geburten meiner Tochter Maja und meines Sohnes Roan wieder viel stärker verbunden mit meinen eigenen Eltern, mit meinem Vater, mit der Gemeinschaft, in der ich lebe, mit anderen Müttern. Und letztlich mit mir selbst.

Facts: Was werden Sie anders machen als Ihre Eltern?

Thurman: Die Umstände sind ganz andere: Meine Eltern hatten weniger Geld. Meine Mutter hat vier Kinder grossgezogen, ohne Hilfe. Hausfrau- und Muttersein war lange Zeit ihre Karriere. Meine Eltern sind immer noch verheiratet. Ich dagegen bin berufstätig, meine Ehe ist

daran, sich aufzulösen. Wie gesagt, ich erziehe meine Kinder unter ganz anderen Voraussetzungen.

FACTS: Trotzdem, was wollen Sie anders machen?

Thurman: Das Heilsame am Muttersein ist vielleicht gerade, dass man Dinge, die man den Eltern nachgetragen hat, plötzlich mit anderen Augen sieht. Weil man am eigenen Leib erfahren hat, wie anstrengend und kräfteraubend es ist, Kinder grosszuziehen. Wer gibt schon perfekte Eltern ab? Ich sicher nicht.

Facts: Ihre Mutter zitierte in einem Interview einen Vers aus dem Tao-Te-King, dem wichtigsten literarischen Werk des Taoismus: «Eltern sind wie Gastwirte auf einem Wegstück, und Kinder sind die Reisenden, die die Infrastruktur nutzen, bevor sie weiterziehen. » Teilen Sie diese Meinung?

Thurman: Vielleicht sehe ich das auch einmal so, wenn ich 60 bin und meine eigenen Kinder ausgezogen sind.

Facts: Sie selber haben das Elternhaus mit 15 verlassen. Warum wollten Sie die Kindheit so schnell hinter sich bringen?

Thurman: Ich war geradezu krankhaft damit beschäftigt, erwachsen zu werden. Ich wollte mein Leben selber in die Hand nehmen und nicht mehr abhängig sein von meinen Eltern. Warum ich es mit dem Erwachsen werden so eilig hatte, weiss ich bis heute nicht.

Facts: Sie haben sogar die Schule abgebrochen.

Thurman: Mein Vater ist Professor für Buddhismus, ein religiöser Gelehrter. Alles Akademische hatte bei uns zu Hause einen grossen Stellenwert. Meine Brüder sind allesamt sehr intelligent. Nicht dass ich selber dumm wäre. Aber der permanente Fokus auf die intellektuell-philosophische Sichtweise der Welt in meiner Familie löste bei mir eine Gegenreaktion aus.

Facts: Schauspielerei als Flucht?

Thurman: Nein. Schauspielerei als Mittel, mich auszudrücken. Ich war ein schüchterner Teenager. Die Theaterklasse in der Highschool gab mir die Chance, mich von einer anderen Seite zu zeigen. Dank dem Rollenspiel konnte ich aus mir herauskommen, ohne mich wirklich zeigen zu müssen. Ich habe jahrelang verzweifelt versucht, mich ein- und anzupassen. Vergeblich natürlich. Aber es förderte mein schauspielerisches Talent.

Facts: Reagieren Ihre Kinder darauf, dass ihre Mutter in der ganzen Stadt von Plakatwänden auf sie herunterschaut?

Thurman: Manchmal ja. Mein zweijähriger Sohn zeigt mit dem Finger drauf und sagt: «Guck mal, da ist wieder Mami. » Allerdings sagt er ab und zu auch zu anderen blonden Plakatgesichtern Mami.

Facts: Versuchen Sie Ihre Kinder von der Öffentlichkeit abzuschirmen?

Thurman: Nein. Ich gehe mit meinen Kindern ins Museum, in den Park und auf den Spielplatz, wie alle anderen auch. Ich versuche, ein ganz normales Leben zu führen. Das gelingt natürlich nicht immer. Manchmal folgen uns Fotografen. Aber damit muss ich leben, wenn ich meine Familie nicht in einem Celebrity-Ghetto gross werden lassen und mit Bodyguards umgeben will. Lange habe ich versucht, die Paparazzi zu ignorieren. Doch meine Tochter ist jetzt fünf und ein aufgewecktes Mädchen. Sie merkt, wenn uns jemand folgt, und sie weiss auch warum. Also muss ich das Thema zur Sprache bringen und versuchen, möglichst gradlinig damit umzugehen.

Facts: Geht man mit einer Ehekrise anders um, wenn die ganze Welt dabei zuschaut?

Thurman: Ich kann mich schon gar nicht mehr erinnern, wie es ist zu handeln, ohne die Konsequenzen am nächsten Tag irgendwo nachzulesen. Meine Privatsphäre ist verletzt worden, seit ich 17 bin. Das sind nun mal die Rahmenbedingungen meines Lebens.

FACTS: Sie zensurieren sich also nicht?

THURMAN: Nein. Das ist nicht nötig. Ich bin eine diskrete Person und wasche meine schmutzige Wäsche nicht in der Öffentlichkeit. Ich versuche, die Privatsphäre anderer Menschen zu schützen. Speziell natürlich diejenige meiner Kinder. Ich will auf keinen Fall dazu beitragen, dass sie eines Tages Einzelheiten ihrer Familiengeschichte in den Klatschspalten diverser Zeitungen zusammensuchen können.

Facts: Das Epos «Kill Bill» hat ein Happyend. Die Braut kann am Ende ihres Rachefeldzuges die Tochter, die sie totgeglaubt hat, in die Arme schliessen. Bei wem leben Ihre Kinder jetzt, wo Ihre Ehe ein unglückliches Ende gefunden hat?

Thurman: Hauptsächlich bei mir. Aber sie haben einen gesunden Kontakt zu ihrem Vater. Das endgültige Modell arbeiten wir zurzeit noch aus.

Facts: Und wer kümmert sich um die Kinder, wenn Sie auf dem Set sind?

Thurman: Wenn ich kann, nehme ich sie mit. Sie waren beim Dreh von «Kill Bill» dabei. Mein Sohn war damals noch nicht lange auf der Welt. Meine Tochter war vier und bereits ein Profi.

Facts: Sie haben kein schlechtes Gewissen?

Thurman: Ich bin viel mehr beunruhigt, wenn sie CNN ausgesetzt sind als den Kunstblut-Kaskaden auf dem Set - falls Sie das meinen. Ansonsten versuche ich eine Balance zu finden zwischen meinem unglaublichen Wunsch, mich kreativ weiterzuentwickeln, und meinen schlechten Gefühlen gegenüber allem, was mit dem Muttersein kollidiert. Schuldgefühle scheinen einfach dazuzugehören, wenn man als Mutter arbeitet. Dabei sind gerade die Schuldgefühle bloss dumme Zeitverschwendung.

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